Wednesday, 25. January 2006
Projektvorhaben 2006:
Nicht mehr Opfer und nicht mehr Täter sein
Jugendliche aus Israel, den Palästinensischen Gebieten, Österreich und Ungarn untersuchen Hindernisse auf dem Weg zu Verständnis und Koexistenz
Ein Hadassah Austria Projekt unterstützt von der Europoäischen Union, dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst und der Karl Kahane Stiftung

Idee und Konzept: Evelyn Böhmer-Laufer

Vom 15.-25. Juli 2006 wird in Franzen im Waldviertel ein peacecamp mit Jugendlichen aus Israel und den Palästinensischen Gebieten sowie aus Österreich und Ungarn stattfinden. Sie werden Gelegenheit bekommen, einander in ihren kulturellen, religiösen, nationalen Verschiedenheiten, aber auch ihren Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten kennen zu lernen. Kreative und sportliche Spiele, gruppendynamische Übungen, vor allem aber zahlreiche Diskussionsrunden werden es ihnen ermöglichen, jenen Faktoren auf die Schliche zu kommen, die trotz des gewünschten Miteinanders feindseliges oder aggressives Gegeneinander entstehen lassen.

Psychoanalytische Großgruppen werden ein Reflektieren eigener Haltungen und Gefühle gegenüber Menschen der eigenen wie der "fremden" Gruppe ermöglichen: Man wird erleben können, dass uns nicht nur "noble", sondern auch von uns selbst verpönte Motive antreiben, dass unser Handeln nicht nur von den uns bekannten, bewussten Gefühlen, sondern auch - vielleicht sogar noch stärker - von unbewussten, und uns weniger lieben Motiven gesteuert ist.

Junge Menschen können oft direkter, in ihren Ausdrucksformen ungehemmter sein als Erwachsene; ihr Selbstbild hat sich noch nicht gefestigt, ihr Weltbild noch nicht geprägt; sie können emotionaler und unbefangener, fantasievoller, wagemutiger sein als Erwachsene. Ihre Persönlichkeitsentwicklung ist noch nicht abgeschlossen; sie sind noch formbar und empfänglich für neue Erfahrungen, die das bisher Gelebte, aber auch das von den Eltern Überlieferte zu relativieren und verändern vermögen. "Unbeschwert" oder "unbekümmert", wie wir sie, die eigene Jugend idealisierend, gern fantasieren, ist die heutige Jugend jedoch nicht, sondern geprägt von der Last politischer Katrastrophen, in denen die eigenen Eltern oder Großeltern Opfer oder Täter waren. Sie sind Kinder von Opfern, Kinder von Tätern, fühlen sich nun selbst als "Opfer" oder "Täter" - und den "Anderen", "Fremden", als Rächer, als Feind. So werden polarisierte Opfer- oder Täterbilder von einer Generation zur nächsten überliefert, starre Selbst- und Fremdbilder gefestigt und politische Veränderungen verhindert.

Wie wir damit umgehen und was mit uns passiert, wenn wir das "Fremde" in uns erkennen und zugeben müssen, dass es Teil von uns selbst und nicht (nur) Merkmal des "Anderen" ist, wird sich im Laufe des 11-tägigen Gruppenprozesses zeigen: Werden wir den "fremden" Teil von uns lieb gewinnen und in unser Selbstbild integrieren können, oder werden wir es "verstoßen", aus uns "aussiedeln" wollen? Wohin werden wir es verbannen, was wird aus ihm werden, aus ihm - dem weniger geliebten, weniger geschätzten Teil von uns selbst?

Diesen Fragen nachzugehen hat sich das für Sommer 2006 geplante peacecamp zur Aufgabe gemacht. Ob die teilnehmenden Jugendlichen durch diese Erfahrung an Reife gewinnen, ob sie konfliktfähiger, in ihrem politischen Denken differenzierter, toleranter, kreativer werden, und wie sich diese Arbeit auf das noch im Entstehen befindliche Selbst- und Fremdbild der Adoleszenten auswirkt, wird eine begleitende psychologische Studie zeigen.

Neben der Vorbereitung der Jugendlichen vor ihrer Zusammenkunft hier in Österreich sieht der Projektrahmen als Vorbereitung der erwachsenen TeilnehmerInnen eine analytische Selbsterfahrung vor, sowie eine Evaluation nach Ende des peacecamps.

Evelyn Böhmer-Laufer

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